Emese
„Emese Kazárs weitgehendes Thema ist die menschliche Figur. Ihre Gemälde entwickeln sich aus einem dunklen Hintergrund und werden in abstrahierenden Flächen, in lasierender Malweise und in Reflektion über die Möglichkeiten der Malerei herausgearbeitet. Die eher zu erahnenden farbigen Setzungen ergeben bei genauerer Betrachtung plötzlich räumliche Eindrücke in den explizit flächigen Gemälden.
Auf inhaltlicher (hinsichtlich der Figuren) wie auf formaler Ebene stellen ihre Bilder eine Malerei der Andeutungen dar, in der sich malerische Setzungen und inhaltliche Assoziationen auseinander entwickeln, die so berechtigt wie nicht verifizierbar sind. Dies gilt für symbolische Interpretationen ebenso wie für kunsthistorische Vergleiche von der Barockmalerei bis zur Worpsweder Künstlerkolonie und von Courbet bis zu Rothko wie für die Personen, die Emese Kazár in Frontalansichten präsentiert. Teilweise rufen sie traditionelle Porträtmodi auf, führen diese jedoch durch die Auflösung von Physiognomien gleichzeitig ad absurdum.“
„Wie durch einen dunklen Rauch schiebt sich der leuchtend magentafarbene »Torso 2« in das Sichtfeld des Betrachters. Die Weiblichkeit des Körpers wird durch das pralle Volumen des Bauchs und der Brüste betont. Trotzdem bleibt die Frau selbst undefiniert, da ihren Körperkonturen jegliche Schärfe fehlt und dadurch vor allem ihr Gesicht unkenntlich ist. Ihr Körper wird durch seine Farbe, den Konstrast zwischen leuchtendem Fleisch und rauchigem Hintergrund, und nicht durch scharfe Linien und Umrisse modelliert. Die Wurzeln dieser Vorgehensweise reichen bis in die Zeit der Renaissance. Beispielsweise benutzte Leonardo da Vinci (1452-1519) diese Technik (auch genannt »Sfumato«, übersetzt »verschwommen«) um seiner »Mona Lisa« ihr weltberühmtes Lächeln zu schenken. Die Malerin Emese Kazár setzt Sfumato in ihren Bildern modern um und inszeniert den weiblichen Körper – ohne Lächeln, dafür aber mit einer präsenten Körperlichkeit.
Dass ihr Konzept sich auch ohne bedrohliche Dunkelheit und harte Kontraste umsetzen lässt, beweist der bonbon-farbige Körper des »Torso« von 2012. Obwohl der Bauch der Frau eher an einen glasierten Donut, als an eine weibliche Mitte erinnert, erkennt der Betrachter umgehend, dass es sich um den Torso eines auf dem Rücken liegenden Akts handelt.“
In Emese Kazárs Gemälden bewegen sich (weibliche?) Figuren wie Traumwesen in einem merkwürdig undefinierten Bildraum. In ihrer Körperlichkeit scheinen sie vom Untergrund aufgesogen zu werden oder gerade aus ihm herauszutreten. Sie wirken gefährdet, ohne äußere Feinde zu haben. In dem Fehlen persönlicher Attribute behaupten Kazárs Bilder damit eine übergeordnete Gültigkeit, die die Verletzlichkeit allen Seins konstatiert.
„Emese Kazár stellt drei Gemälde aus, die jeweils weibliche Körper(teile) zeigen, gehalten in einer eher dunklen Palette mit einigen starken Farbsetzungen. Typisch für ihre Malerei sind die lasierend ineinander greifenden Farbschichten. Auf diese Weise verschwinden die wiedererkennbaren Körper oder Körperteile in den eindeutig figurativen Bildern und tauchen wieder auf. Hinter- und Vordergrund sind nicht eindeutig zuzuordnen, obwohl man dann doch meint, die Figuren klar abgrenzen zu können. Der Blick der Betrachter*innen verliert sich auf diese Weise in den Gemälden von Emese Kazár.
Mit ihren Bildinhalten weckt sie bestimmte kunsthistorisch bedingte Assoziationen – in diesem Fall an eine Venus- bzw. eine Mariendarstellung. Diese Interpretationen verbleiben jedoch, auch wenn sie sich schlüssig belegen lassen, als Möglichkeit, die Bilder sind in dieser inhaltlichen Hinsicht bewusst uneindeutig, was wiederum durch die Malweise von Emese Kazár bedingt ist. Der weibliche Körper wird jenseits von Klischees dieses Themas verhandelt, selbst wenn sich Emese Kazár in eine lange kunsthistorische Reihe stellt. Gerade anhand der so deutlich benennbaren weiblichen Brust im Bild Spende lässt sich dies zeigen. Die Darstellung lässt eine erotische Konnotation kaum erkennen und sobald man näher an das Gemälde tritt, löst sich die vermeintliche Brust in Farbsetzungen und eine Konturlinie auf. Diese Uneindeutigkeit des Inhalts und die Prämisse des Malerischen verstärken den Eindruck, dass man als Betrachter*in eine eigene Narration zu diesen Bildern entwickeln kann.“
„Emese Kazár verarbeitet die Sujets der Malereigeschichte fragmentiert zu ihren eigenen subjektiven Erzählungen. Kazárs Malerei ist persönlich, aber nicht biografisch. Oft sind ihre Bilder in einem positiven Sinn verstörend und bewegen sich malerisch und inhaltlich in einem Raum, der immer im Fluss und nie eindeutig zu definieren ist.
Die große Qualität dieser Malerei liegt darin, dass die Untersuchung der eigenen Subjektivität und deren Bezug zur Welt ebenso wie die Malerei und das Gemalte in den Bildern immer eine untrennbare Einheit bilden. Es ist eine Malerei, die sich ihrer eigenen Bedingungen und ihrer Geschichte sehr bewusst ist. “
Ich habe mich für fünf Wochen komplett zurückgezogen. Zu Hause habe ich eine Arbeitsecke eingerichtet und auf einem PVC-Bodenbelag gemalt. In dieser Zeit habe ich die Wohnung so gut wie nicht verlassen und mich von meinem Partner versorgen lassen – ähnlich wie das Weibchen des tropischen Hornvogels, das in der Brutzeit in einer Baumhöhle eingemauert vom Männchen ernährt wird.
Im Ausstellungsraum habe ich zwei kleinformatige Gemälde mit dem PVC-Bodenbelag zusammengeführt. Die Präsentation des Bodenbelags mit den Farbspuren als Dokumentation des Mal-Aktes und die Ausschnitte nackter Frauenkörper als Zeugnisse vermeintlicher Selbstbetrachtungen erzielen eine doppelte Rückkopplung auf das Private.